walter schulze-mittendorff - der muede tod

 


Der Müde Tod


  1. 3. Fritz Langs Vision vom Tod


„Ich schlief und träumte – oder war ich wach? Mit geschärften Augen, fast zu klar, sah ich den vertrauten Raum in dem ich lag. Die Fensterläden waren halbgeöffnet – das Mondlicht strömte in den Raum. Und ich sah mich selbst von Angesicht zu Angesicht, nicht Angst erregend, aber unmissverständlich, dem Tod gegenüber. Gemacht aus schwarz und weiß, Licht und Schatten, das Gerippe, die nackten Knochen. Oben drauf der Kopf, kaum wahrnehmbar, beschattet durch einen breitkrempigen Hut.

Der Tod und ich starrten einander an. Ich weiß nicht, ob ich das Gefühl, das ich in dem Moment erfuhr, so etwas wie Angst nennen würde. Es war ein Schrecken ohne Panik. Und der Schrecken machte sogar Platz für eine Art mystischer Ekstase, die mir, einem Knaben der ich noch war, das vollständige Verstehen der Ekstase gab, die Märtyrer und Heilige den Tod umarmen lassen.

Ich erhob mich um ihn zu begleiten. In meinem schwachen Zustand brach ich zusammen. Leute kamen und hoben mich auf. Der Tod war verschwunden.

Ich erholte mich schnell. Aber die Liebe zum Tod, in der Verbindung von Schrecken und Zuneigung, die die gotischen Meister beschrieben, blieb bei mir und wurde Teil meiner Filme: vermenschlicht in ’Der Müde Tod’, symbolisiert in ’Die Nibelungen’ und lebende Gotik (Gothic) in ‚Metropolis’.“


Aus: Lotte Eisner, Fritz Lang, New York, 1976, S. 55 f


‚Der Müde Tod’ ist Fritz Langs achter Film, aber sein erstes Werk, das auch über Deutschlands Grenzen hinaus Aufmerksamkeit erregt. Langs Erfahrung mit dem Tod, die er während einer fiebrigen Erkrankung im Kindesalter macht und die direkte Nähe zum Tod im Krieg haben wohl eine dauerhafte Beziehung in ihm zu diesem ‚Gevatter’ angelegt. Die Behandlung des Themas ‚Tod’ schafft in seinen Filmen ein Ausdrucksmittel, das die Tür zu Okkultismus, Magie und Mystik öffnet.

Der Tod ist das ultimative Mysterium im menschlichen Leben. Als der ständige Begleiter des Menschen wird der Tod durch den inneren Drang, ihm zu entkommen verdrängt und damit in das Reich des Unbewussten verbannt. Der Tod wird nur im Außen wahrgenommen, im Sterben des Anderen, und die ambivalente Beziehung zum Tod, die Angst vor dem eigenen Tod einerseits und das dem Menschen innewohnende Potential zum Töten andererseits, macht ihn zum (un)heimlichen Beherrscher der Menschheit. Der Tod und das Leben gelten als die beiden absoluten Polaritäten, entweder er ist oder das Leben; meistens bleibt die Einheit beider unerkannt, dabei ist sie doch der Weg zu wahrem Frieden.


  1. 4. Der Tod als Tor zur Mystik

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